Die Biografie ist ein Auszug der Seiten 303 bis 313 aus dem Buch

Herbert Leupin Plakate - Bilder - Graphiken von Karl Lüönd / Charles Leupin

1995 herausgegeben vom Friedrich Reinhardt Verlag, Basel

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1916

Herbert Leupin wird am 20. Dezember als zweites von drei Kindern als Bürger von Basel in Beinwil am See/AG geboren. Sein Vater Robert Leupin leitet den bekannten "Gasthof zum Rössli" an der Ergolzbrücke in Augst/BL; Seinen "senso dei gusto", den besonderen Sinn des Geschmacks, auch auf dem Gebiet der Ästhetik der Farbe, führt Leupin später auf die Schulung durch seinen Vater zurück. Seine Mutter, eine ge- borene Leuenberger aus Schangnau/BE, ist die respektierte Autorität und "grande dame" im Hause Leupin. Ihr enormes Qualitäts- und Pflichtbewusstsein werden den Sohn prägen.

1923 - 1931

Leupin besucht die Obere Realschule in Basel, wird aber zwei Jahre lang nur probe- weise befördert. Früh beginnt er zu zeichnen, mit Vorliebe Karikaturen seiner Lehrer. Diese raten seinen Eltern, den Sohn an die Gewerbeschule nach Basel zu schicken.

1932 - 1935

An der Kunstgewerbeschule Basel erhält Leupin seine erste künstlerische Ausbildung. Er belegt die Fächer "Aktzeichnen", "Bildhauerei","Modellieren/Gipsen", "Fotografie", "Schrift", "Lithografie" und "Grafik", nebenbei auch die Spezialfächer "Farbe + Form" sowie "Gegenstandszeichnen". Leupin lernt, ein Stück Holz, eine Schuhleiste, eine Kaffeetasse - banale Gegenstände - detailliert und präzis zu malen. Dies bedingt eine genaue Beobachtungsgabe und Konzentration auf das Wesentliche. In der Grafik findet Herbert Leupin sein zukünftiges Wirkungsfeld - "es ging mir der Knopf auf".01

1935

Nach Abschluss der Kunstgewerbeschule absolviert Leupin ein Praktikum im Reklamestudio von Hermann Eidenbenz in Basel. Mit Burkhard Mangold, Niklaus Stoecklin, Hermann Eidenbenz, Donald Brun, Armin Hofmann, Celestino Piatti, Fritz Bühler und Peter Birkhäuser gehört Leupin zur so genannten "Basler Schule". Stilistisch dominiert eine darstellerische Genauigkeit des monumental in Szene gesetzten Gegenstandes, scharfe Aussen- und Innenkonturen, eine krasse Licht- und Schatten-Setzung sowie eine Klangdichte der Farben. Die "Basler Schule", die in den 1930er und 1940er Jahren eine führende Rolle in der Schweizer Werbegrafik spielt, erhält bald eine immense Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus. Leupin selbst sieht sich nicht als Vertreter eines bestimmten, genau definierbaren Stils. "Ich spiele auf verschiedenen Instrumenten und verwende, je nach Aufgabe, das eine oder andere mir richtig Erscheinende. Man kann doch auch nicht um eine hübsche und intelligente Frau werben, indem man ihr zum hundertsten Male das gleiche Sträusschen überreicht und ihr das gleiche Sprüchlein ins Ohr flüstert!".02

1936 - 1937

Dank eines eidgenössischen Stipendiums kann Leupin in Paris die "Ecole Paul Colin", eine Fachschule für grafisches Zeichnen, besuchen. Colin, ein Bonvivant und Monsieur; gewährt seinen Schützlingen eine grosse künstlerische Freiheit. So orientiert sich Leupin stilistisch mehr an Cassandre, einem der damals führenden Werbegrafiker; als an Colin. Gelegentlich beteiligt er sich an Wettbewerben. Mit einem Plakat für die "Foire de Paris" 1936 gewinnt er den zweiten Preis.

Die Schule bezeichnet Leupin retrospektiv als grossartig.03 Einerseits kann er in Paris das bereits in Basel gelernte notwendige Handwerk vervollkommnen, andererseits prägt sich das spielerische Element, die Farb- und Formenfreude - Eigenschaften, die seine Kollegen kaum ausweisen können, weiter aus.04

"c'est a mon avis un affichiste de grand avenir.", vermerkt Colin in Leupins Zeugnis.05

1937

Zurück in der Schweiz absolviert Leupin die Rekrutenschule. Dem militärischen Drill nicht gewachsen, befreit ihn eine einberufene Untersuchungskommission vom Militär- dienst und schickt ihn zum Hilfsdienst. Leupin nimmt an verschiedenen Wett- bewerben teil. Wegweisend für seinen späteren Erfolg ist der erste Preis im Plakatwettbewerb für das Schützenfest in Luzern. Damit findet Leupin auch Zugang zu Plakatwettbewerben, die nur einem auserwählten Kreis von Gestaltern offen stehen.

1938

Nach kurzer Mitarbeit im Grafikatelier von Donald Brun, dem seinerzeit erfolgreichsten Grafiker in Basel, macht sich Leupin in Augst selbständig. Rastlos arbeitend, beteiligt er sich an verschiedenen Wettbewerben. Gleichzeitig führt er Auftragsarbeiten aus.

Für die Schweizer Verkehrszentrale entwirft er das Plakat "Glückliche Stunden im Schweizer Winter". Er präsentiert sein Werk dem Direktor, der sofort begeistert ist. Leupin verkehrt von nun an stets direkt mit dem verantwortlichen Entscheidungsträger, um im gemeinsamen Gespräch die Ideenfindung zu beschleunigen. Der Durchbruch kommt mit einer Auftragsarbeit für die Grossmetzgerei Bell.

1940

Während der Kriegszeit wird in der Schweiz der spezielle "Heimatstil" gepflegt. Die Mustermesse Basel, für die Leupin 1940 beim Plakatwettbewerb den ersten Preis gewinnt, steht mehr denn je unter der nationalen Flagge. Leupins"goldenes Zahnrad", das die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Landesteilen aufzeigen soll, und die "vier Kettenglieder" von 1943, die als Symbole der vier Landesteile samt eingraviertem Schweizer Kreuz für nationalen Zusammenhalt plädieren, zeigen dies deutlich.

1941

Die Werbegrafik erhält innerhalb der Werbung einen eminent wichtigen Stellenwert. Namentlich das Plakat ist Gegenstand grosser öffentlicher Aufmerksamkeit und heftiger Diskussionen. Längere Abhandlungen in den Zeitungen versuchen, das Geheimnis der Wirkung des so genannt "guten Plakats"zu ergründen. Künstlerische Aspekte werden erläutert, ästhetische Qualitäten hinzugezogen. Zur Förderung der Schweizer Plakatkunst verleiht das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) erstmals den Herausgebern, Entwerfern und Druckern für die besten während eines Kalenderjahres erschienenen Strassenplakate Anerkennungsurkunden. Der Löwen- anteil der jährlich verliehenen Plakatprämierungen fällt in den 1940er und 1950er Jahren an die "Basler Schule", vornehmlich an Leupin. Mit 90 Prämierungen sind Leupins Werke Dauerbrenner in der Hitparade der ausgezeichneten Plakate."Das eine oder andere hätte prämiert werden sollen; vielleicht war man aber gehemmt, Leupin zu viele Preise zu erteilen." 06

Leupin entwirft sein erstes Plakat für die Mineralwasserquelle Eptingen. In der Folge- zeit entstehen über drei Jahrzehnte hinweg ganze Plakatserien: Eptinger (1941- 1976), Bata (1943-1964), Pepita (1951-1975), Zirkus Knie (1956-1985), Salem Nr. 6 (1952-1964), Roth-Händle (1967-1978).

Leupin führt eine illustre Stammkundschaft von beträchtlichem Renommee in seiner Kartei.

Von 1941 bis 1967 arbeitet der Basler Grafiker Paul Bergmaier als Mitarbeiter bei Leupin.

1944 - 1949

Leupin gestaltet im Zeitraum von fünf Jahren 52 Bildtafeln zur Illustration von neun Grimm-Märchen: "Hans im Glück",1944 / "Hänsel und Grethel", 1944 / "Das tapfere Schneiderlein", 1944 / "Schneewittchen und die sieben Zwerge", 1945/ "Tischleindeck dich, Goldesel, Knüppel aus dem Sack", 1945/ "Der gestiefelte Kater", 1946 / "Der Wolf und die sieben Geisslein", 1947 / "Dornröschen", 1948 / "Frau Holle", 1949.

1945

Herbert Leupin heiratet Elsa Schamberger (*1918). Am 23.3.1948 kommt Sohn Thomas und am 14.11.1953 der Sohn Charles zur Welt. Die Leupins bauen ein eigenes Haus in Augst.

1949 - 1951

Die Eidgenössische Kulturstiftung "Pro Helvetia" konzipiert unter dem Titel "Das Schweizer Plakat" eine Wanderausstellung durch Länder in West- und Nordeuropa, Südamerika, sowie durch die Vereinigten Staaten. Rund ein Sechstel aller 126 Exponate stammen von Leupin. Die Ausstellung trägt viel zur Verbreitung und letztlich zum Weltruhm des Schweizer Plakates bei. Als Folge dieser Welttournee erhält Leupin 1949 für Pott-Rum seinen ersten ausländischen Auftrag. Unzählige Artikel über ihn in Fachzeitschriften verschaffen ihm internationale Anerkennung. In den I950erJahren kommen 80% der Werbeaufträge aus dem Ausland. Leupin, der ganz allgemein an der Werbung interessiert ist, gestaltet auch Verpackungsdesign, Anzeigen und andere Werbeartikel. Das Plakat bleibt aber seine unbestrittene Spezialität.

1951

Leupin arbeitet im Einmannbetrieb. Seine Frau Elsa begleitet seine Arbeit und leistet tatkräftige Unterstützung, indem sie die Buchhaltung führt.

1952

Die Städte München und Wien zeichnen zwei Werke als "Plakate des Monats" aus.

1953

Während Umbauarbeiten im Hause in Augst findet Leupin in der Augustinergasse in der Basler Altstadt ein Atelier. Bald wird es zum bleibenden Zuhause. Gleichzeitig kauft Leupin in Porto Ronco/TI ein altes Rustico mit Malatelier, nach der Quelle im Garten "La Sorgente" genannt. Zur Krönung von Queen Elisabeth bemalt Leupin eine Packung für Suchard Pralines, die ihr neben anderen Geschenken der Schweizer Eidgenossenschaft überreicht wird 07.

1949 - 1955

Eine persönliche und künstlerische Krise kommt auf. Leupin beobachtet die scheinbare Leichtigkeit, mit der seine Kinder Motive spielerisch und spontan wiedergeben. Dies steht seinem detaillierten, akribisch präzisen Plakatstil entgegen. Er sucht nach einer neuen Ausdrucksweise. "Eine Zeitlang herrschte hier der so genannte Basler Realismus vor, Stoecklin und Birkhäuser. Eines Tages hatte ich genug davon und machte etwas ganz anderes." 08

Auslöser ist das Plakat "Basel" von 1952 für den Verkehrsverein Basel. Leupin verwirft sämtliche Entwürfe, bis ihn der Abgabetermin zwingt, einen Entwurf vorzulegen. Es ist eine spontane, skizzenhafte, rudimentäre Komposition. Sie verrät die Unbeschwertheit einer Kinderzeichnung. Das Plakat gefällt, wird auf mechanischem Wege vergrössert und kommt zur Ausführung. Der Plakatstil Leupins wandelt sich nach dieser als Schaffenskriseempfundenen Epoche vom naturalistischen Realismus zur freieren Malweise.

1957

Es folgen die ersten Einzelausstellungen im Ausland: im Carson's World Corner in Chicago, in der Werkkunstschule in Offenbach, im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

1958

Leupin lehnt eine Professur an der Hochschule in Frankfurt ab, um die selbständige Tätigkeit nicht zu beeinträchtigen. Einzelausstellungen in der Kunsthalle Bremen, in Lahr sowie in der Hansa-Schule in Hamburg finden statt.

1960

Leupin erhält in Chicago den Medal Award des "Art Directors Club". New York ehrt den mittlerweile hochbegehrten Schweizer Werbegrafiker mit dem "Art Directors Club for Certificate of Merit" und widmet ihm eine Einzelausstellung.


Sind die ersten Schaffensjahre stark vom Magischen Realismus der Basler Schule geprägt, lässt sich das Werk nach dem Krieg nicht mehr in stilistische Perioden einteilen; naturalistisch wechselt mit illustrativ ab, malerisch mit typografisch. "Ich fühle mich wie ein chef d'orchestre, der eine grosse Zahl von Instrumenten spielen kann. Je mehr Instrumente ich beherrsche, desto eher kann ich im richtigen Moment und am richtigen Ort das geeignete Instrument einsetzen. Die Aufgaben sind ja immer wieder anders - es gibt kein Rezept." 09

Es steht nicht die Suche nach dem eigenen persönlichen gestalterischen Ausdruck im Vordergrund, sondern vielmehr das Programm - Leupin ist ganz Gebrauchsgrafiker.

1961

Beim internationalen Plakatwettbewerb der Royal Agricultural Fair von Toronto erhält Leupin mit dem Plakat für die Schweizerische Käseunion in Bern den ersten Preis für das "Beste Landwirtschaftsplakat der Welt".

1965

In den 1960er Jahren werden die Werbeagenturen gegründet. Leupin hält die sich abzeichnende Werberealität für einen "aufgeblasenen Apparat" 10

und weigert sich, als freischaffender Grafiker Teil dieses Mechanismus zu werden.11

Leupin hat, trotz Pendeln zwischen den Stilen, alle Stile und Epochen übergreifend, seine unverwechselbare Handschrift entwickelt und damit einen bestimmten Plakatstil begründet - jenen des humoristischen Plakats. Die Plakate Leupins sind daher nicht nur am individuellen Duktus, sondern auch am speziellen Werbegeist zu erkennen.

1966

Die Schweizer Illustrierte publiziert nach einer Umfrage die im Ausland bekanntesten drei Schweizer: Heinrich Pestalozzi, Herbert Leupin und Ferdi Kübler.

1967

"Leupins plakativer Stil gehört noch immer zum Besten, was die Schweiz in der Plakatkunst hervorgebracht hat." 12

Leupin ist und bleibt ein Markenzeichen, ein Garant für höchste Plakatkunst. Neben den Auftragsgrafiken, seinem Haupttätigkeitsfeld, beginnt Leupin mit freien Werken, die vornehmlich dem Clown-Bild gewidmet sind.

1968

Herbert Leupin erhält eine Auszeichnung an der Plakat- Biennale in Warschau. Die zahlreichen internationalen Ehrungen zeigen, dass Leupins Bildmetaphern weltweit verstanden und gewürdigt werden. Übersetzungen in die verschiedenen Landessprachen erübrigen sich. Leupin"...spricht eine universelle Sprache, eine Sprache, die alle einschliesst, die unabhängig von Alter; Bildung oder sozialer Herkunft verstanden wird." 13

1969

Basel würdigt ihren prominenten Werbegrafiker mit einer Retrospektive im Gewerbemuseum. Die Kunstzeitschrift "Du" widmet den Leitartikel des August- Heftes dem malerischen Schaffen Leupins.

1972

Das Deutsche Plakatmuseum in Essen folgt mit einer weiteren Retrospektive.

1973

Die Galerie Läubli in Zürich zeigt als Premiere freie Werke Leupins.

1974

Herbert Leupin erhält mit der Verleihung der Ernst-Litfass-Medaille in Kassel die höchste zu vergebende Auszeichnung im Plakatwesen.

1975

Ausstellung freikünstlerischer Werke in der Galerie Hilt in Basel.

1976

Das Schloss Ebenrain in Sissach zeigt 170 Plakate und freie künstlerische Werke.

1977

Zweite Zürcher Ausstellung des malerischen Schaffens in der Galerie Ursula Wiedenkeller (vormals: Läubli). 1981 und 1983 folgen zwei weitere Präsentationen in derselben Galerie.

1980 - 1990

Leupin zieht sich aus dem grafischen Schaffen zurück und entwirft nur noch bei speziellen Anlässen Affichen. Seine Zeit gilt neben der Familie den freien Arbeiten. Verschiedene Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland finden statt.

1990

Herbert Leupin kommt die Ehre zu, in die "Hall of Fame" des Art Directors Club (ADC) Schweiz Einlass zu finden.

1991

Das Schweizerische Jugendbuchinstitut in Zürich zeigt die 52 0riginalbildtafeln der von Leupin zwischen 1944 und 1949 geschaffenen Märchenillustrationen. Das Gewerbemuseum Basel feiert den 75. Geburtstag seines berühmten Sohnes mit einer Sonderschau. 14

1993

"Für eine ganze Generation war Werbung gleichbedeutend mit Leupin." 15

Für Werbeagenturen wie für freischaffende Plakatgrafiker ist Leupin der "Grand old man", der geistige Vater und ungekrönte König der Schweizer Plakatkunst. Niklaus Troxler zollt seinem grossen Vorbild Leupin im Rathaus Willisau mit einer Plakatausstellung Tribut.

1995

Leupin lebt im Sommer in Porto Ronco, im Winter in der Basler Altstadt hoch über dem Rhein. "Heute mache ich nur noch das, was mir Spass macht." 16

Auf die Frage, ob sein Leben eine einzige Erfolgsgeschichte ist, meint Leupin:

"Ich habe mich das auch schon gefragt, aber es ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte." 17